Kolonialvergangenheit(en) verstehen: Rekonstruktion der rheinisch-westfälischen Kolonialgeschichte

Bearbeitung: Dr. Alina Marktanner (RWTH Aachen)

Das Teilprojekt, bearbeitet von Dr. Alina Marktanner, historisiert koloniale Spuren im Rheinland, in Westfalen und in Ostwestfalen-Lippe in der longue durée der 1880er bis 1980er Jahre.

Dabei treten Erinnerungs- und Deutungskämpfe rund um die Kolonialvergangenheit in den Vordergrund: Nicht nur werden in den Quellen koloniale Organisationsstrukturen und Denkmuster in der Ära des Kaiserreichs in Städten wie Aachen, Herne und Bad Salzuflen sichtbar. Auch die Nachgeschichte des Kolonialismus in den Zeiträumen 1918 bis 1933, 1933 bis 1945 und nach 1945 zeigt sich in den historischen Zeugnissen. Das Teilprojekt präsentiert damit eine „zweite Geschichte“ des Kolonialismus, die das Ringen um Deutung und Erinnern des Kolonialen historisiert, ähnlich, wie die public history dies für die Geschichte Nationalsozialismus fruchtbar gemacht hat. Brüche und Kontinuitäten im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit in unterschiedlichen institutionellen Bezügen wie Wirtschaft, Kultur und Mission, sowie verschiedene Perspektiven in offiziösen und marginalisierten Narrativen werden offenbar. Der zentrale Output des Projektes stellt eine umfassende Quellenedition dar, die in Forschung und Lehre zum Thema der regionalen Kolonialgeschichte eingesetzt werden kann. Die Edition versammelt Material aus bislang etwa 50 Archiven – darunter Stadtarchive, Wirtschaftsarchive, Missionsarchive, Medienarchive wie das WDR-Archiv sowie themenspezifische Archive wie das Karnevalsmuseum in Köln und das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland – und macht koloniale Spuren und deren Nachwirkungen sichtbar und untersuchbar.

Kolonialvergangenheit(en) erinnern: Koloniale Erinnerungskultur in NRW

Bearbeitung: Nicole Garretón, M.A. (RWTH Aachen)

Das Teilprojekt Kolonialvergangenheit(en) erinnern widmet sich einer umfassenden Analyse des gegenwärtigen gesellschaftlichen Umgangs mit der deutschen und europäischen Kolonialvergangenheit in Nordrhein-Westfalen. 

Nicole Garretón untersucht am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen, unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Jörg Sigwart und Prof. Dr. Christian Kuchler, Initiativen und Institutionen, die sich in Nordrhein-Westfalen mit diesem Themenfeld auseinandersetzen. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Formen der Auseinandersetzung die aktuelle Geschichtskultur prägen und welche Akteure und Akteursgruppen dabei eine zentrale Rolle spielen. Der Fokus reicht von öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten, Museen oder Archiven über etablierte zivilgesellschaftliche Organisationen wie NGOs und Geschichtsvereine bis hin zu losen Zusammenschlüssen und Einzelpersonen, die sich öffentlich zu diesem Thema äußern. Welche Beweggründe und Argumentationsmuster bestimmen die Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit? Gibt es spezifische Motive und Narrative, die in diesem Kontext besonders hervortreten? Das Ziel der Untersuchung ist es, vorhandene Formen des Gedenkens an die deutsche und europäische Kolonialvergangenheit in der Geschichtskultur Nordrhein-Westfalens systematisch sichtbar zu machen und vor dem Hintergrund des gegenwärtigen gesellschaftlichen Zusammenhangs einzuordnen. Dadurch wird die Bedeutung der Kolonialvergangenheit erstmals in ihrer geschichts- und erinnerungskulturellen Relevanz für Nordrhein-Westfalen systematisch erschlossen und analysiert.

Postkoloniale Geschichtskultur(en) erforschen: Empirische Studie zu Wissen und Einstellungen in NRW

Bearbeitung: Dr. Johannes Jansen (Universität Münster)

Das Teilprojekt führt insgesamt fünf aufeinander abgestimmte empirische Studien durch. Ziel der mündlichen und schriftlichen Befragungen ist die Gewinnung eines vertieften Einblickes in Einstellungsmuster und Wissenskonfigurationen seitens der Befragten zu deutschen kolonialen Vergangenheiten und ihrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Thematisierung.

Befragt werden jeweils mehrere hundert Jugendliche, Studierende und Lehrkräfte aus ganz Nordrhein-Westfalen, zudem zivilgesellschaftliche Akteure sowie in einer repräsentativen Befragung, die in Kooperation mit dem Umfrageinstitut forsa durchgeführt wird, mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger aus der gesamten Bundesrepublik. Vergangenheitsbezogene Wissensbestände und Einstellungen werden ebenso erhoben wie Kenntnisse und Einstellungen zu gegenwärtigen Fragestellungen und Debatten: Sind die zum Teil äußerst kontrovers geführten Diskussionen über Kolonialismus und Dekolonisierung den Befragten bekannt und besitzen sie geschichtskulturelle Relevanz? Wie stehen die unterschiedlichen Befragten und Befragtengruppen zu Restitutionsfragen? Welche historischen Deutungs- und Erklärungsmuster lassen sich in den erhobenen Daten erkennen? (Inwiefern) Kann man sagen, dass Befragte selbst durch koloniale Denkmuster geprägt sind? 

Die empirisch gewonnenen Ergebnisse stellen eine Grundlage für die Entwicklung von Dialogformaten und Bildungsmaterialien dar. 

Koloniale und postkoloniale Vergangenheit(en) diskutieren

Bearbeitung: alle Projektbeteiligten

Ein zentraler Fokus des Projekts liegt darauf, die Ergebnisse der verschiedenen Teilprojekte in den öffentlichen Diskurs einzubringen. 

Hierzu werden dialogorientierte Veranstaltungsformate konzipiert und didaktische Materialien entwickelt, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit Nordrhein-Westfalens anregen sollen. Ziel ist es, einen informierten Austausch über die regionale Kolonialgeschichte zu fördern. Die Entwicklung dieser vielfältigen Vermittlungsformate basiert auf empirischen Untersuchungen zu Wissensbeständen und Einstellungsmustern unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen.